„Praedicate Evangelium“? Laien in Führungsposition im Vatikan oder Motivation für Geistliche und zukünftig Frauen als Priesterinnen in der römisch-katholischen Kirche
Die neue Konstitution „Praedicate Evangelium“, die die Arbeit der römischen Kurie regeln soll, trat am Pfingstsonntag, 5. Juni 2022, in Kraft. Sie löst „Pastor Bonus“ des heiligen Papstes Johannes Paul II. ab. Diese Konstitution hatte 34 Jahre Gültigkeit. Ob die Konstitution „Praedicate Evangelium“ von Papst Franziskus so lange Bestand haben wird, wird sich zeigen. Ein neuer Papst oder eine Päpstin kann sie jederzeit revidieren oder eine neue Fassung promulgieren.
Im Vorfeld gab es nach der Ankündigung am 19. März 2022 bereits deutliche Kritik an der neuen Konstitution. Besonders der Punkt, dass Laien, sowohl Männer wie Frauen, nun in die Leitung aller Dikasterien berufen werden können, außer der Bischofskongregation, erregte bei Klerikern, bei im Vatikan seit Jahrzehnten beschäftigten Laien und bei mir Kritik. Eine Ergänzungsmöglichkeit zur neuen Konstitution „Praedicate Evangelium“, die nur oberflächlich sehr protestantisch klingt, ist, dass zumindest ein abgeschlossenes Theologiestudium, sei es der katholischen Theologie oder der evangelischen Theologie, Voraussetzung sein sollte, um ein Dikasterium im Vatikan leiten zu dürfen.
Vertreterinnen und Vertreter protestantischer Kirchen waren entsetzt. Nach meinen Recherchen leiten in keiner Gliedkirche der EKD Laien eine Kirchengemeinde. Die Forderung, dass Laien in die Kirchenleitung kommen sollten, vertritt vor allem „Der Synodale Weg“. Diese Forderung geht weit über die protestantische Praxis, wie sie seit Martin Luther üblich ist, hinaus. Man kann sich kaum vorstellen, dass sich die römisch-katholische Kirche bereits selbst so geschrumpft hat, dass keine für eine Leitung in Frage kommenden Geistlichen mehr zur Verfügung stehen.
Eine Negativfolge von „Praedicate Evangelium“ wird sein, dass niemand mehr katholische Theologie studieren wollen wird. Wenn schon ein 0815-Job mit einer 8-Stunden-Arbeitszeit von 9 bis 17 Uhr ausreicht, um in die Leitung eines der höchsten Ämter der römisch-katholischen Kirche im Vatikan aufzusteigen, wird es kaum finanzielle und hierarchische Anreize geben, den inzwischen stark umstrittenen Beruf eines Priesters oder zukünftig einer Priesterin ergreifen zu wollen. Innerliche Motivation zu stärken, sich den geistlichen Herausforderungen in der Spätmoderne zu stellen, sieht anders aus. Es muss auch zukünftig berufliche Aufstiegsmöglichkeiten für die Personen geben, die ihr ganzes Leben der Kirche geweiht haben und die der Kirche allumfassend Gehorsam versprochen haben. Es gibt einen qualitativen Unterschied zwischen Geistlichen und Laien. Letztere können sich frei bewegen, sie gehen nach der Arbeit nach Hause und gestalten ihre Freizeit, wie sie es wollen, sie leben in Familien, mit denen sich über alle beruflichen Ereignisse im Privatbereich sprechen können. Die römisch-katholische Kirche darf sich nicht noch mehr ins geistliche Abseits begeben. „Praedicate Evangelium“ ist ein trügerisches Inscript.
Nach der Wahl eines neuen Papstes oder einer Päpstin werden üblicherweise alle Leitungsposten im Vatikan neu besetzt. Damit würden Geistliche wie Laien, die Papst Franziskus in Folge von „Praedicate Evangelium“ in Leitungsfunktionen von Dikasterien beruft, ihren Posten wieder verlieren. Dies ist ein übliches Prozedere. Ein neuer Papst oder eine Päpstin könnten sehr leicht nur einen Halbsatz in „Praedicate Evangelium“ einfügen, der die Voraussetzung, dass ein abgeschlossenes Theologiestudium für die Leitung eines Dikasteriums nötig ist, festschreibt. Dann würde „Praedicate Evangelium“ vielleicht für die nächsten 34 Jahre Gültigkeit erlangen. Die Idee zu dieser Ergänzung stammt von mir, seit neuneinhalb Jahren Journalistin, seit bald 28 Jahren Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirche (derzeit ohne Dienstauftrag), seit elf Jahren Cardinale in pectore und seit neun Jahren papabile.
Papst Franziskus hätte in dieser Woche die Kirche für alle Zeiten verändern können. Hätte Giovanni Battista Kardinal Re, Dekan des Kardinalskollegiums, am Dienstag, 31. Mai 2022, bei den Exequien für den ehemaligen Kardinalstaatssekretär des heiligen Papstes Johannes Pauls II. Angelo Kardinal Sodano mit mir, Cardinale in pectore Elke Göß, die Messe im Kreis der anwesenden Kardinäle und im Beisein der beiden Päpste, Papst Franziskus und Papst em. Benedikt XVI. gefeiert, wäre diese offizielle Messe der Anfang der Öffnung des Priesteramtes für Frauen in der römisch-katholischen Kirche gewesen. Die römisch-katholische Kirche ist nur eine einzige Messe von der Zulassung von Frauen zum Priesteramt entfernt.
Eine Messfeier mit Giovanni Battista Kardinal Re hätte den Vorteil, dass Papst Franziskus der Messe nicht vorstehen würde. Er hat im Juni 2013 einem jungen Schweizer Gardisten ein Messer ins Herz gestochen und ihn dadurch getötet und er hat seit seinem Amtsantritt etwa acht junge Nonnen zum Sex gezwungen oder sie dazu überredet und sie teilweise gegen ihren Willen geschwängert. Papst Franziskus ist nicht glaubwürdig, wenn es um die Förderung von Frauen in Bezug auf geistliche Ämter geht. Warum Papst Franziskus so lange und umständliche Wege zur Frauenintegration geht, wird nur ihm bekannt sein. Papst Franziskus hätte in dieser Woche die römisch-katholische Kirche für alle Zeit verändern können. Giovanni Battista Kardinal Re hätte mit mir, Cardinale in pectore Elke Göß, am Dienstag, 31. Mai 2022, Messe feiern können und am Pfingstsonntag, 5. Juni 2022, hätte Papst Franziskus mich öffentlich nennen können und mich damit offiziell zur Kardinälin ernennen können. In einer Woche hätte Papst Franziskus die erste Kardinälin öffentlich präsentiert und damit die Möglichkeit eröffnet, dass zukünftig Frauen zu Priesterinnen in der römisch-katholischen Kirche geweiht werden können, nachdem sie katholische Theologie studiert haben, selbstverständlich. Die römisch-katholische Kirche ist eine Messe und eine öffentliche Nennung von mir als Kardinälin von einer Frau im höchsten Leitungsgremium der römisch-katholischen Kirche entfernt. Dies ist seit elfeinhalb Jahren gleichbleibend so. Doch Papst Franziskus macht gar nichts und dies seit neun Jahren, zwei Monaten und 18 Tagen.
Pfingsten 2022 hätte es eine Kardinälin geben können. Diese Möglichkeit besteht seit elfeinhalb Jahren. Als Cardinale in pectore papabile zu sein, ist die andere Möglichkeit, wie eine Frau in das aller höchste Amt in der römisch-katholischen Kirche kommen kann.
Elke Göß
Pfingstmontag, 6. Juni 2022
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